Nach dem Essen beginnt Nadia ihren Vortrag, der eine Zusammenfassung ihrer Maturaarbeit ist, in lupenreinem Spanisch. In Deutsch erläutert sie dann die Resultate Ihrer Arbeit. Möglich war dieses aussergewöhnliche Thema, weil sie letztes Jahr zusammen mit den Eltern nochmals dieses südamerikanische Land besuchen konnte, wo sie dann die nötigen Interviews für ihre Arbeit machte.
Die Gesellschaft in Ecuador, einem Land mit gleicher Einwohnerzahl wie die Schweiz, aber sieben Mal grösserer Fläche, wurde geprägt einerseits von den spanischen Kolonialherren, die ihr Frauenbild der reinen Frau mit nach Südamerika brachten, andererseits von der Inkakultur, wo die «ayllu» herrschte, d.h. die dörfliche Gemeinschaft, die mehr dem Kollektivgedanken verhaftet war, als das hierarchische Denken der Spanier. Aus der Vermischung dieser beiden Kulturen präsentiert sich die heutige Gesellschaft in Ecuador.
Nadia führte letztes Jahr mit 18 Männern unterschiedlichen Alters Interviews über das Thema Frau, Mann, Kinder, Familie durch. Die Interviews ergaben ein Familien- und Gesellschaftsbild, das unserer Gesellschaft vor einigen Jahrzehnten sehr ähnlich ist: die Frau kocht, kümmert sich um die Kinder, macht meistens den Haushalt. Daneben spielen in den gehobeneren Gesellschaftsschichten die «empleadas» (Angestellte mit Indiohintergrund ) eine wichtige Rolle. Das Einkaufen hingegen ist eher Männersache, da Männer ja auch besser mit dem Geld umgehen können! Womit wir beim Begriff Macho angelangt wären. Eigentlich heisst das spanische Wort «macho» bloss männlich, das Wort hat heute aber eine abwertende Bedeutung und beinhaltet die vermeintliche Überlegenheit des Mannes über die Frau, wie es Nadia offenbar durchaus im Alltag auch erlebte. Aber als Trost und Hoffnung sah sie klar die Möglichkeiten, die die Frauen im heutigen Ecuador haben. Allerdings spielt die Familie und damit die Frau auch heute noch eine viel grössere Rolle als bei uns.
Unter grossem Applaus verdankte Matthias die sehr souveräne Präsentation und saubere Arbeit. Wenn Nadia an der Matura die Resultate so vorträgt, ist ihr eine gute Bewertung sicher. Für den Club bleibt die grosse Genugtuung, dass Nadia bewiesen hat, wie sinnvoll und wegbestimmend solche Austauschjahre sein können.
Wochenberichtschreiber A. Knüsel